Interview mit Gerd Weimar

Mit der UK, der Ev. Zeitung für Westfalen und Lippe, sprach KMD Gerd Weimar über die Zusammenarbeit der Kirchenkreise Arnsberg und Soest, Inhalt und Botschaft der Marienvesper sowie die erste gemeinsame Probe der Chöre.

Das Interview führte Johannes Majoros-Danowski, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Soest.

Majoros-Danowski: Warum wurde für diese Aufführung im Rahmen des Jubiläumsjahres Monteverdis Marienvesper ausgewählt?
Weimar: Die Wiesekantorei führt seit zehn Jahren immer an Mariae Geburt eine ökumenische Marienvesper auf mit starker musikalischer Betonung. Frau Tornau-Opitz hatte die Idee, zum 10jährigen Jubiläum dieser Projektarbeit und gleichzeitig zum 700jährigen Jubiläum der Wiesekirche dieses grandiose Werk aufzuführen.

M-D: Wie kam es zu dieser kirchenkreisübergreifenden Zusammenarbeit?
W: Die Wiese-Kantorei kam auf mich zu mit der Frage, ob ich die Leitung dieses Projektes übernehmen wolle und auch den Südwestfälischen Kammerchor einbinden könne. Über diese Anfrage habe ich mich natürlich sehr gefreut: Monteverdis  Marienvesper als das größte zusammenhängende Werk vor der Zeit J.S. Bachs und ein wirklich grandioses Werk der Musikgeschichte, aufgeführt anlässlich der 700jährigen Grundsteinlegung der imposanten Wiesenkirche: da habe ich nicht lange gezögert und zugesagt.

M-D: Wie sieht die Aufgabenteilung zwischen Ihnen und Herrn Haffke aus?
W: Herr Haffke übernimmt die Einstudierung der Wiese-Kantorei und singt in der Aufführung die Altus-Partie. Darauf bin ich natürlich sehr gespannt! Ich selbst bereite den Südwestfälischen Kammerchor vor, und bin verantwortlich für Instrumentalisten, Solisten und letztlich die Leitung des Konzertes.
Heute habe ich mich dem Leiter des Johann-Rosenmüller-Ensembles, Herrn Arno Paduch, getroffen, um die Partitur gemeinsam zu besprechen und die Generalprobe entsprechend vorzubereiten. Das war sehr interessant und wichtig, einander kennenzulernen, um musikalische Vorstellungen und aufführungspraktische Details zu klären.

M-D: Was ist das Besondere an diesem Stück? Was gefällt Ihnen persönlich daran?
W: Monteverdi hat in seiner Zeit einen neuen musikalischen Stil entwickelt, er war modern und ist damit bei vielen Zeitgenossen angeeckt. Das Neue war der instrumental begleitete Einzelgesang, bislang dominierte der übliche unbegleitete mehrstimmigen Gesang. Insbesondere neu war auch, dass Monteverdis neue Musik Gefühle stark ausdrückte: die Musik diente dem Text und nicht der Text der Musik. Wenn die Rede von der Hölle war, schrieb Monteverdi eben auch mal knatternde tiefe Töne. Für mich persönlich ist es hochspannend, wenn ich mich intensiv mit einem Komponisten und seinem Werk beschäftige. Monteverdi lebte vor annähernd 400 Jahren, eine spannende Zeit, die Zeit der Gegenreformation. Wieviel Neues konnte Monteverdi sich leisten? Was hat Monteverdi dazu getrieben, gerade eben die von seinem neuem Musikstil so geprägte Marienvesper dem damaligen Papst Paul V. zu widmen und sich wohl damit auch in Rom zu bewerben? Weiter interessieren mich natürlich auch die aufführungspraktischen Fragen: in welcher Besetzung  wurde die Marienvesper aufgeführt, wie war die Stimmtonhöhe, wie können wir uns heute stilistisch und stimmtechnisch dieser Musik nähern, wie schnell oder langsam sind die Tempi und gibt es Temporelationen der Stücke untereinander?

M-D: Worin liegt seine Herausforderung – für die Chöre, für den Dirigenten, für die Konzertbesucher?
W: Die Herausforderung liegt darin, Monteverdis Musik in ihrem Aufbau, ihrer Dynamik und ihrer Emotionalität zu verstehen und letztlich als Aufführende die Zuhörenden mitzunehmen und zu fesseln.

M-D: Was sind Inhalt und Botschaft der Marienvesper? Ist sie nicht zu katholisch für eine evangelische Kirche?
W: Die Marienvesper kann man in zwei Teilen gliedern: im ersten Teil erklingen nach einer grandiosen Fanfare fünf Psalmen (110,113, 121, 127 und 147), die jeweils mit einem Concerto (im neuen Stil), von den Solisten gesungen, abgeschlossen werden. Der zweite Teil besteht aus einer Sonate über „Sancta Maria“, einem Hymnus sowie dem Magnificat. Dieser zweite Teil ist der eigentliche Marien-Teil.
Wir können heute nicht eindeutig sagen, ob Monteverdi eine Aufführung im Rahmen eines Vesper-Gottesdienstes beabsichtigte. Nach dem italienischen Titel (… zum Konzertieren komponiert …) und dem Widmungstitelblatt (… zu singen in Kapellen oder geeigneten fürstlichen Gemächern …) kann man schließen, dass eine Aufführung auch außerhalb der Kirche beabsichtigt sein konnte.
Zur Frage, ob die Marienvesper nicht zu katholisch für eine evangelische Kirche ist: grundsätzlich ist Musik niemals konfessionell, es sei denn, wenn wir Sie so sehen möchten. Luther hielt übrigens selbst Marienpredigten und schätzte in seinen Auslegungen u.a. des Magnificats Maria als Beispiel menschlicher Demut und Reinheit. Unser Aufführungsort, St. Maria zur Wiese, wurde – wie aus dem Namen abzuleiten ist – erbaut, um darin ein Marienbild aufzubewahren, welches aus dem 12. Jahrhundert stammt. Dieses Marienbild wurde in der Reformationszeit, in der die Kirche evangelisch wurde, entfernt und laut einer Legende auf dem Dachboden der Kirche aufbewahrt. 1661 wurde es als Sühnegabe an die Nachbarstadt Werl übergeben.

M-D: Wie viele Proben sind eingeplant, wie viel Zeitaufwand bedeutet die Einübung eines solchen Stückes für das einzelne Chormitglied und für den Dirigenten?
W: Der Südwestfälische Kammerchor beschäftigt sich neben der Erarbeitung eines a-cappella-Programms und des Verdi-Requiems seit einem halben Jahr mit der Marienvesper. Die Sängerinnen und Sänger bereiten sich auf die jeweiligen Proben vor, um dann entsprechend konzentriert und mit Spaß arbeiten zu können. Die Wiese-Kantorei hat neben der Erarbeitung der Marienvesper noch für gottesdienstlichen Auftritte zu üben. Zweimal bereits haben sich beide Chöre in Soest getroffen, um gemeinsam zu proben. Dabei wurde der Kammerchor herzlich von der Wiese-Kantorei aufgenommen. Zur dritten gemeinsamen Probe in den Sommerferien gibt es dann noch ein üppiges Kuchenbuffet (wie ich gehört habe).

M-D: Wie ist die Probe am Samstag gelaufen? Wie weit sind Sie gekommen?
W: Die Stimmung war toll! Wir haben alles geschafft und alle gemeinsamen Stücke auch im Detail proben können. Hier war mal die italienisch-lateinische  Aussprache zu klären, dort musste an der Dynamik oder der Intonation gefeilt werden. Wichtig ist mir die klangliche Transparenz, insbesondere in der Achtstimmigkeit und in schwierigen rhythmischen Passagen.

M-D: Ist nur diese eine Aufführung geplant?
W:
Ja, es gibt nur diese eine Aufführung. Sicherlich wäre es wunderbar, wenn sich eine zweite Aufführung anschließen könnte, gerade, weil unsere Chöre sich lange mit diesem Werk beschäftigt haben. Es ist allerdings schwierig, einen weiteren geeigneten Aufführungsort zu finden, bzw. eine weitere Aufführung zu finanzieren. Wir freuen uns alle sehr auf das Konzert am 8. September in Soest!

 

Das Interview ist erschienen in: Unsere Kirche, Ausgabe 32, 2013